Im Februar 2015, also vor nun fast 2 Jahren, saß ich bei einem Freund in seiner Küche und erzählte ihm und seiner Frau von meinem Vorhaben, für sage und schreibe für 2 Monate auszusteigen, um mit dem Fahrrad von Regensburg nach Santiago de Compostela zu fahren, genauer gesagt mit meinem 10 Jahre alten Mountainbike.
Das ist der Jakobsweg!
Logischerweise wurde ich den beiden nicht sonderlich ernst genommen, was ich daran bemerkte, dass die beiden sichtlich an meinem Geisteszustand zweifelten. Marginal kann ich das verstehen.
Ich erklärte den beiden meine Beweggründe für dieses scheinbar komplett durchgeknallte „Abenteuer“:
- Eine wesentliche Rolle spielte meine berufliche Unzufriedenheit, die ich mir in meinem Urlaub durch den Kopf gehen lassen wollte. Ich hatte die Hoffnung, dass sich nach meiner Rückkehr Veränderungen einstellen würden, die eine Weiterbeschäftigung für mich plausibel machen würde. Hier blieb der Wunsch der Vater des Gedankens.
- Mein letztjähriger körperlicher und gesundheitlicher Zustand war mindestens bedenklich, wenn nicht bedrohlich.
- Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich in der Lage bin, eine derartige Fahrt durchzuziehen, in physischer aber insbesondere in psychischer Hinsicht.
- Kann ich mich täglich aufs neue motivieren, gegen physische und psychische Schmerzen, gegen den Körper und den Geist, gegen den sogenannten inneren Schweinehund, quasi gegen mein zweites ich.
- Kann ich die Einsamkeit ertragen? Ich war noch nie so lange alleine unterwegs!
- Wie manage ich meinen Tag, welche Wege werde ich wählen, und wo werde ich abends schlafen? Das ist an und für sich die Grenze der Freiheit.
Natürlich werde ich ein Tagebuch schreiben, ist doch logisch, sagte ich meinen Freunden, denn nach einer Woche muss man schon überlegen wo man die letzten Tage verbracht hat. Ja, das ist gut, meinten die beiden, aber dann musst du einen Blog schreiben, das wäre doch cool.
Aha, einen Blog…
„Wenn ihr mir sagt, ich müsse einen Blog schreiben, dann mach ich das halt“, meinte ich, fuhr nach Hause und begann zu dem Thema Blog im Internet zu recherchieren. Kurzer Hand habe ich eine Blog angemeldet, das ist ja quasi nichts anderes als eine eigene Homepage. Na gut, ich gebe es zu, ich habe mir natürlich eine Vielzahl von Reiseblogs durchgelesen, vornehmlich natürlich Blogs über den Jakobsweg.
Wie ich vorbereitet habe?
Ja, also diese Frage ist gut, wirklich sehr gut!
Ich habe mich in den unterschiedlichsten Jakobsweg Communities angemeldet, und in Facebook recherchiert. Mehr nicht. Laut Wetterprognose sollte das Wetter ab Ostern schön werden, so dass ich beschloss am Ostermontag zu starten. Also ging ich am Ostersamstag, gerade mal 2 Tage vorher zu einkaufen, und besorgte mir entsprechende Klamotten und Ersatzteile und Werkzeug für mein 12 Jahre altes Mountainbike.
Ich fühlte mich tatsächlich top vorbereitet, denn was sollte den jetzt noch passieren. Ich hatte noch einen Fahrradführer für den Donauradweg, ansonsten hatte ich kein Kartenmaterial. Das wollte ich dann kaufen, wenn ich es benötige.
Welche Communities das sind?
- Jakobsweg – Caminho Portugues
- Jakobsweg / Camino de Santiago (Undogmatisches Pilgerforum)
- Jakobsweg Begeisterte
- Jakobsweg mit dem Fahrrad
- Jakobsweg Forum
Diese Communities bieten allen Interessierten, den Wanderern und Radfahrern eine Plattform, wie man sich auf den Jakobsweg, den Camino am besten vorbereiten kann´ Das habe ich alles zur Kenntnis genommen, zum Beispiel Dateien mit allen verschieden Pilgerherbergen auf den verschiedenen Jakobswegen.
Das war also meine Vorbereitung. Mehr gab es nicht. Mehr hätte auch nicht zu mir gepasst.
Und dann kam der Startschuss, am Ostermontag gegen 10.30 Uhr in Regensburg. Ich übergab meinem Bruder meine Schlüssel und verschwand langsam, leise und doch wehmütig aus Regensburg in Richtung Westen, donauaufwärts zur Donauquelle nach Donaueschingen.
Schon auf den ersten Kilometern überlegte ich mir, was ich heute Abend in mein Tagebuch schreiben würde. Tja, das ist gar nicht so einfach, da muss ich mir wohl etwas einfallen lassen, dachte ich mir, während ich bei 2 Grad über Null an der Donau entlang fuhr, und zwischen Regensburg und Kelheim in einen Schneesturm kam.
Aber das ist doch Blödsinn, ich muss mir doch nichts einfallen lassen, vielmehr muss ich doch nur das zu Papier bringen, was mir spontan durch den Kopf geht.
So steckte ich mir einen kleinen Notizblock in meine Lenkertasche, und notierte jeden Gedanken der mir wichtig erschien.
Am Abend im Wirtshaus, in der Pension oder im Hotel nahm ich mir meinen Schreibblock zur Brust, und begann zu schreiben. Jeden Tag schrieb ich 1 bis 2 Stundenversuchte und entwickelte dabei einen riesen Spaß, zumal ich täglich eine Vielzahl von Kommentaren, WhatsApp´s, SMS und Emails bekam, was mich erst recht motivierte. So empfand ich fast nie das Gefühl der Einsamkeit.
Im Gegenteil, ich genoss gerade beim Radeln das Alleinsein, ein Gefühl das ich immer fürchtete.
Wenn man tagtäglich alleine unterwegs ist, sich mit Gott und der Welt auseinander setzt, wenn man sein Leben Revue passieren lässt, dann entwickelt sich ein Gefühl und eine Tiefe, was man an und für sich mit dem „Jakobsweg“ verbindet.
Ob ich Gott getroffen habe?
Ich habe mich getroffen!
Ich habe mich getroffen, weil ich es wollte, weil ich alle Gedanken zugelassen habe und weil ich mich mir gegenüber geöffnet habe.
In dieser schnelllebigen Zeit nehmen wir uns keine Zeit mehr, zur Ruhe zu kommen um nachzudenken, um im Endeffekt Langeweile zu genießen. Wir haben Angst vor dem Alleinsein.
Sind wir überhaupt noch in der Lage uns zu fühlen?
So, das war`s jetzt mal, mein Jakobsweg auf 2 Seiten!
Was es mir gebracht hat?
Im Großen und Ganzen die Entschleunigung und Ruhe!