14. Juni 2019

Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt Leben Reisen ist.

Jean Paul

(1763 – 1825), eigentlich Johann Paul Friedrich Richter, deutscher Dichter, Publizist und Pädagoge

Quelle: Jean Paul, Das Kampaner Tal, 1797

Um kurz nach hab acht saß ich heute schon auf meinem Rad. Es war richtig frisch, sodass ich doch tatsächlich mit einer Weste Richtung Innsbruck gefahren bin. Es ging ja fast nur bergab. Dort stieg ich dann in den Zug nach Seefeld, denn der Zirler Berg ist für Radfahrer verboten, darüber hinaus auch unfahrbar, geht es doch immer mit rund 16 % bergauf. Von Seefeld nach Scharnier, dann an der Isar entlang ging es zum Walchensee, von dort dann über den Kochelsee nach Benediktbeuren, wo ich ein nettes Hotel fand. Der Hotelier ist Nebenerwerbslandwirt, sodass ich gleich eine Gemeinsamkeit gefunden habe.

In Innsbruck lernte ich einen erst kurz pensionierten Arzt aus Saalfelden kennen, der mit seinem Fahrrad eine Tour nach Heidelberg zu seinem Sohn macht. Wir haben uns intensiv über das Leben unterhalten, und über die Zeit der Rente. Das sind für die Momente, für die es sich lohnt, mit dem Fahrrad auf Reisen zu gehen.

Apropos Reisen, heute früh bin ich über den Aphorismus von Jean Paul geraten. Ich muss gestehen, dass ich Jean Paul bis vor knapp 30 Jahren überhaupt nicht kannte. Doch einmal hatte ich einen Vortrag organisiert mit dem Journalisten Werner A. Widmann vom Bayerischen Fernsehen. In seinem Vortrag zitierte er, und er war dem Bier sehr zugetan, Jean Paul, und diesen Spruch habe ich nie vergessen:

Je mehr man getrunken, desto mehr lobt man den Wirt und sein Bier.

Er ist vor knapp 200 Jahren gestorben, doch diese Lebensweisheit sollte ich auch in vielen langen und anstrengenden Sitzungen selbst am eigenen Leib erlebt und verspürt haben.

Er war meiner Zeit um 200 Jahre voraus.

Jean Paul, bayerischer Philosoph, Schriftsteller und Held.

Morgen früh werde ich nun mit dem Zug über München nach hause fahren, sodass morgen die 2. längste Reise meines Lebens zu Ende geht.

_DSC1909.jpg

Alpspitz und Zugspitze

_DSC1910.jpg

Walchensee, ein eiskalter Badespaß

Bildschirmfoto 2019-06-14 um 16.15.49.png

Letzte Fahrradetappe

 

13. Juni 2019

Vieles, was an Sanftmut, Gütigkeit, Kraft zum Verzeihen, Wahrhaftigkeit, Treue, Ergebung in Leid, unser geworden ist, verdanken wir Menschen, an denen wir solches erlebt haben.

© Albert Schweitzer

(1875 – 1965), deutsch-französischer Arzt, Theologe, Musiker und Kulturphilosoph, Friedensnobelpreis 1952

Diesen Aphorismus habe ich heute früh beim Frühstück gelesen, er hat mich heute den ganzen Tag beschäftigt. Ich möchte nicht tiefer in diese Geschichte einsteigen, dennoch steckt doch sehr viel Wahrheit darin. Man möchte meinen, die katholische Kirche würde dahinter stecken, bei mir zumindest nicht. Betrachten wir mal die 7 himmlischen Tugenden, so steckt doch diese Lebensweisheit darin, aber wird es auch gelebt?

Natürlich, nur dann, wenn es die eigene Person betrifft. Das ist wohl die Krux. Sind wir in der Lage zu vergessen, können wir verzeihen?

Hmmmm….

Der Gedanke ist jedenfalls gut, jeder sollte mal versuchen ihn zu Ende zu denken, und verschiedene Situationen im Leben Revue passieren zu lassen.

Seis drum, ich sitze wieder auf meiner Kiste, auf dem Weg über den Brenner. Wo werde ich heute wohl landen? In ein paar Tagen werde ich wieder zuhause sein, und meine Tour ist wieder mal Geschichte.

Das Etschtal und weiter das Eisacktal ist weit schöner als wir es vom durchfahren kennen, obwohl sich der Radweg immer in der Nähe der Autobahn, der Superstrada und der Eisenbahn befindet. Meist ist das nicht störend.

Ich mußte heute 1100 Höhenmeter überwinden, wäre es das Doppelte gewesen, das hätte ich wohl auch geschafft. _DSC1904.jpg

Franzenfeste aus der Ferne des Radwegs.

_DSC1905.jpg

Radweg parallel zur Superstrada

_DSC1907.jpg

Im Hintergrund der Similaungletscher – glaub ich zumindest.

Irgendwo traf ich dann einen jetzt pensionierten österreichischen Polizisten, der mit seinem Fahrrad in Sizilien unterwegs war, gemeinsam haben wir die Brennerpasshöhe erklommen – das war aber keine Erstbesteigung. Zunächst gehts von Sterzing aus immer wieder bergauf und bergab, dann fährt man einige Kilometer in obere Eisacktal. Von dort geht es auf einer ehemaligen Eisenbahntrasse hoch bis zur Passhöhe, moderat und ruhig. Zeit genug für eine gute Unterhaltung.

 

Bildschirmfoto 2019-06-13 um 17.23.32.png

12. Juni 2019

Manchmal ist sogar das Ende das Ziel.

© Martin Gerhard Reisenberg

(*1949), Diplom-Bibliothekar und Autor

So ist es. Heute war ein guter Tag, ich bin in Trient gestartet, 98 Kilometer geradelt, mit 500 Höhenmeter, zunächst parallel zu Etsch und jetzt an der Eisack. Gelandet bin ich jetzt in Klausen, kurz vor Brixen, und wenn kein Gewitter gekommen wäre, dann wäre ich nochmals 20 Kilometer weitergefahren. Jetzt ist das Ende dieser spannenden Reise in Sicht.

Untergekommen bin ich im Hotel „Walter von der Vogelweide“, der einer der bekanntesten Lyriker des Mittelalters war – und Minnesänger. Das wäre sicherlich ein Berufszweig, der mir auf  den Leib geschnitten ist.

Minnesänger „Alois auf der Fahrradmaschine“!

Nachdem ich jetzt schon das 3. Mal auf diesem Fahrradweg unterwegs bin, Trient und Bozen gut kenne, kam ich sehr gut vorwärts, ab 14 Uhr sogar mit leichtem Rückenwind immer leicht bergauf.

Morgen werde ich dann Richtung Sterzing fahren, und dort dann entscheiden ob ich noch über den Brenner fahre, oder dort übernachte.

 

Der Protagonist mit weißem Restbauch – immer noch genug vorhanden!

 

Das Eisacktal

 

 

Klausen in Südtirol

Bildschirmfoto 2019-06-12 um 17.12.20.png

Meine Tagesetappe

 

11. Juni 2019

Sommacampagna – Trient

Langsam komme ich der Heimat immer näher, wo ich mich gerade an diese Freiheit wieder gewöhnt habe. Dass ich das tun kann, wirtschaftlich und körperlich, empfinde ich als ein ganz besonderes Geschenk und Glück, das möchte ich einmal betonen. Geld und körperliche Konstitution sind lediglich Beiwerk, der Drang nach der Freiheit, das Bereitsein Neues kennen zu lernen, auch Strapazen auf sich zu nehmen, das alles ist reine Kopfsache. Hier geht es um die Frage der Motivation, der Disziplin und der Überwindungskraft. Ich bewundere die Menschen, die mit ihrem Fahrrad durch Länder reisen, die wir in keiner Weise einschätzen können, deren Menschen um ihre menschliche Existenz kämpfen müssen.

Können wir uns das überhaupt vorstellen?

In unserem Staat haben wir die Gewissheit, dass wir in irgendeiner Weise aufgefangen werden, wenn es uns mal richtig schlecht gehen sollte – nicht wahr?

Gerade deshalb, weil ich selbst auch schon schlechte Zeiten erlebt habe, kann ich meine heutige Situation durchaus Wert schätzen.

Ich bin heute 96 Kilometer geradelt – Mann gehts mir gut!

Unser Bayernland, unser Deutschland, unser Europa sind das Paradies auf Erden.

Egal, ich bin jetzt in Trento, der Hauptstadt des Trentino, sitze im Hotel, trinke ein Radler, und genieße es, den Tag nochmals anhand meiner Fotos Revue passieren zu lassen. Es sind unglaublich viele Menschen hier auf dem Fahrradweg unterwegs, die meisten kommen scheinbar aus Deutschland.

Die Steigerung von Leben heißt: Erleben.

© Erich Limpach

(1899 – 1965), deutscher Dichter, Schriftsteller und Aphoristiker © by Friedrich Witte

_DSC1886.jpg

_DSC1888.jpg

_DSC1895.jpg

_DSC1896.jpg

Meine Streckenführung!

Bildschirmfoto 2019-06-11 um 17.40.23.png

10. Juni 2019

Bologna – Modena – Sommacampagna

Gestern hatte ich ein ruhigen Tag. Ich packte meinen Drahtesel und musste lediglich von Bologna nach Modena fahren, denn dort war ich mit den „Zirngibl’s“ verabredet. Mit den Kindern wollten sie das Ferrari Museum besuchen. Da bin ich doch dabei! Nach 33 Kilometern und sage und schreibe 17 Höhenmetern kam ich dann an.

Es ist einfach schön Freunde zu haben.

_DSC1860.jpg

Wir besuchten das Museum und Modena, im Anschluß daran das Museum in Maranello, welches uns allen besten gefallen hat.

Gutes Essen, ein Flascherl Wein und nette Menschen, was braucht man mehr?

Naja, einen Ferrari, ein Schiff….etc….und ein gutes Fahrrad.

_DSC1872.jpg

Heute früh um 7 Uhr saß ich beim Frühstücken, danach kam das einpacken und Zahlen.

Noch einen Abschieds Cappuccino, dann ging es wieder weiter Richtung Gardasee. Dummerweise wieder mal gegen den Wind. Mir kommt es so vor, als wolle mich jemand mit Gewalt verarschen. Gleich welche Richtung ich einschlage, der Wind bläst mir immer ins Gesicht. Was will der von mir?

Es geht zunächst auf einer schmalen und viel befahrenen Straße entlang, bis nach 20 Kilometer der Spaß am Radfahren losging. Durch die Poebene, die ich nur auf der Autobahnfahrt kenne, und durch Don Camillo und Pepone. Es ist eine tolle Umgebung, ruhig und gelassen. Das Getreide ist am Reifen, die Bewässerungskanäle sind voller Wasser und die Ortschaften sind nahezu gänzlich frei von Touristen. _DSC1881.jpg

_DSC1879.jpg

Der Ort heißt „San Benedetto am Po“.

Ich mag das gar nicht auf deutsch übersetzen.

_DSC1883.jpg

Wunderschöne Ruine

Nach genau 111,45 Kilometern und 195 Höhenmetern war dann Schluß. Jetzt bin ich in Sommacampagna, quasi schon am Gardasee, sitze in einer Bar und genieße das Augustiner Bier.  Nachdem ich heute viel zu wenig getrunken habe, muss ich nun einiges nachholen. Der erste Schluck ist auf dem Weg ins Blut beziehungsweise ins Hirn nahezu verdunstet! Was für ein Körper!

Bildschirmfoto 2019-06-10 um 17.57.35.png

8. Juni 2019

Barberino di Mugello – Bologna

Laut meiner Planung in Bikemap sollten das heute um die 1200 Höhenmeter werden, sodass ich heute früh schon um 6 Uhr aus den Federn krabbelte, um frühzeitig über die Passhöhe zu kommen. 6 Uhr 45 war dann für der Startschuss auf die Passhöhe des Apennin, den Pass della Futa zu kommen. Als Nachtmensch und Langschläfer kommt es mich seht hart an, so früh aufzustehen, doch die Vernunft hat ausnahmsweise mal wieder zugeschlagen. Es waren dann zwar doch nur 1062 Höhenmeter, die hatte ich allerdings gegen Mittag schon zurückgelegt. Dort auf dieser Passhöhe liegt ein deutscher Soldatenfriedhof, auf dem über 30000 Soldaten ihre letzte Stätte gefunden haben. Scheinbar wurde hier bis in die letzten Tage des 2. Weltkriegs erbarmungslos gekämpft. Das alles liegt nun schon über 74 Jahre zurück, vergessen dürfen wir diesen Wahnsinn nicht.

In der Bar unterhalb des Soldatenfriedhofs kaufte ich mir nun endlich einen Cappuccino und ein Sandwich, denn zum Frühstück bekam ich gar nichts. In dieser Bar wurde Geschichte geschrieben, denn hier ging die legendäre Mille Miglia vorbei, sowie das Radrennen die Giro d’Italia. Restaurant und Bar sind voll von Bildern aus diesen Rennen, mit vielen Berühmtheiten und Rennfahrern. Zum Schluß verabschiedete sich der Wirt von mir mit Handschlag. _DSC1830.jpg

Dummerweise habe ich es tatsächlich vergessen ein Foto von der Bar zu schießen.

Nun ging es weiter bergauf und bergab, immer auf einer Höhe zwischen 700 und 900 Metern über dem Meer. Die Landschaft hier ist äußerst bemerkenswert, und zwar so, dass es geradezu eine Invasion von Motorradfahren kam. Zum Teil sind diese Burschen in einem irren Tempo und Kurvenlagen unterwegs – Kampf der Todesmutigen!

Auf der 2. Passhöhe kam der Wow-Effekt!

_DSC1835.jpg

Ich schätze, dass hier ungefähr 200 Motorräder standen, und 20 Fahrräder. Das war mir für einen Cappuccino ein zu großer Auflauf, also fuhr ich nach einem kurzen Smalltalk mit einem holländischen Ehepaar, mit den Fahrrädern unterwegs von München nach Rom, weiter.

20 Kilometer ging es dann mit Gottvertrauen durch die Berge, auf Nebenstraßen, geteert und geschottert in absoluter Ruhe. Ab und zu bellten ein paar Hunde aus Langeweile, mal krähte ein liebeswütiger Hahn, dazwischen war eine Kreissäge zu hören. _DSC1839.jpg

_DSC1840.jpg

40 Kilometer ging es bergab, bis ich in Bologna ankam. In der Stadt von Luciano Pavarotti and Friends. Bologna ist im Vergleich zu Neapel oder Florenz eine ruhigere Stadt, die ich unbedingt nochmals besuchen muss. Einfach eine super schöne Stadt._DSC1852.jpg

Die Bühne auf der Piazza Maggiore.

_DSC1853.jpg

Es sind viele Touristen hier, doch der Irrsinn von Florenz ist meilenweit entfernt.

Ich leide nicht an Irrsinn, ich genieße jede Minute davon.

Unbekannt

Dieser Spruch könnte doch glatt von mir sein.

Nachdem es in Bologna heute mindestens 30 Grad hatte, habe ich mich entschieden die Stadt wieder zu verlassen, und suchte mir eine Unterkunft ungefähr 10 Kilometer ausserhalb Richtung Modena, wo ich mich morgen Mittag mit Freunden treffen werde.

Bildschirmfoto 2019-06-08 um 18.37.09.png

Bildschirmfoto 2019-06-08 um 18.37.39.png

Meine Tagesetappe

7. Juni 2019

Siena – Barberino di Mugello

Siena ist für mich immer wieder schön, es tummeln sich viele junge Leute hier, und die Stimmung auf dem Campo ist dementsprechend gut. Das letzte Mal, dass ich hier war ist gute 10 Jahre her, es hat sich scheinbar gar nichts verändert.

Mein Hotel, mitten in der Stadt war schon mehr als gewöhnungsbedürftig, die Zimmer wunderschön eingerichtet, die Treppen alt und steil. Das Frühstück, wenn man das überhaupt so titulieren kann, musste man in einem Kellerloch einnehmen. Das ist ja fast schon freakig.

Ich kam erst um 9 Uhr weg, zahlen und mein Fahrrad holen, das irgendwo in einer Garage 300 Meter entfernt untergestellt war. Für die ersten 5 Kilometer benötigte ich 40 Minuten. Immer wieder anhalten, google maps checken dann weiterfahren, bis man die Stadt verlassen hat.

Es lief gut heute, es ging immer leicht bergab, bis ich dann in Empoli beschlossen habe, doch nach Florenz zu fahren – mit dem Zug.

Nach eineinhalb Stunden wollte ich nur noch raus, da waren so viele Menschen, einfach unerträglich. Wie halten das die Einheimischen bloß aus? Diese Stadt ist wunderschön, ich war sicherlich auch schon 3 Mal hier, aber diese Touristenströme und Menschenmassen sind untragbar.

Weiter ging es in der Mittagssonne nach Prato und dann wieder steil bergauf über den Apennin Richtung Bologna. Endlich wieder raus aus der Stadt, frische Luft schnappen, und die Natur genießen.

Menschenmassen in der Herde
zerstören unsere schöne Erde.

© Horst Reiner Menzel

(*1938), Aphoristiker

Gerade habe ich gelesen, dass die Grünen in den Umfragen nun knapp vor den Konservativen in Deutschland liegen. Die Jugend wählt heute grün, sicherlich kein schlechte Wahl, doch haben die Grünen zumindest im Moment in der Wirtschaft und auf dem internationalen Parkett nicht viel verloren.

Aus meiner Sicht sollte der Umweltschutz ins Grundgesetz mit aufgenommen werden. Die Klimakatastrophe kommt schnell näher, und wenn ich mir diesen Touristenwahnsinn anschaue, dann kann das nur in die Hose gehen. Es ist blanker Unsinn, dass man für 30 € nach Rom fliegen kann. Kerosin muss einfach sinnvoll besteuert werden – in ganz Europa.

Der heutige Tag war für mich eher unspektakulär, aber nicht erkenntnislos. Siehe oben!

_DSC1815.jpg

 

Burg im Spinnennetz!

_DSC1822.jpg

_DSC1818.jpg

Pensione Pendini – da war ich vor 40 Jahren

_DSC1823.jpg

_DSC1827.jpg

ohne Worte

_DSC1828.jpg

auf gehts in den Apennin

Bildschirmfoto 2019-06-07 um 19.01.22.png

Die heutige Route

6. Juni 2016

Castel del Piano – Siena

Gestern Abend erlebte ich wieder mal ein Highlight. Andrea, Willis Ehefrau geht seit einem Jahr hier in Castel del Piana in die Musikschule und nimmt Gesangs- sowie Klavierunterricht. Sie wollte immer klassisch Singen, spielte mal in einer Band Bassgitarre, und macht jetzt eben das, was sie eben immer schon machen wollte – Singen.

Und gestern Abend war die Abschlussveranstaltung der Musikschule in einer alten für Veranstaltungen umfunktionierten Kirchenhalle. Andrea hat zugesagt, hier zu singen. Nicht irgendetwas, nein, wirklich schwere Opernarien.

Respekt Andrea, der Beifall war super!

_DSC1784.jpg

Danach ging es zurück nach Hause, noch ein wenig Essen, frisch gezapftes Bier und Grappa!

Ein Grappa – mehrere Grappe!

Dieser Grappa hat mir heute große Schwierigkeiten bereitet. Glücklicherweise hat mich der „Ölbaron“ heute früh mit dem Auto auf die höchste Erhebung Richtung Siena gefahren, sodaß mir wirklich sehr viel erspart blieb. Dennoch waren es bei dieser Hitze circa 63 Kilometer und 750 Höhenmeter. Immer wieder meldete sich der Grappa, und versuchte mir zu erklären, dass mein heutiges Unterfangen höchst schwachsinnig sei. Gegen 13 Uhr merkte ich, dass nicht nur dieser Grappa an mein schlappen Konstitution schuld ist, ich hatte heute auch nichts gegessen.

Mit letzter Kraft schleppte ich mich hoch nach Siena, wo ich ungefähr vor 20 Jahren das letze Mal war. Es hat sich hier nichts verändert, außer die Preise.

Ich möchte mich nochmals bei Andrea und Wille bedanken, es war wie immer super. Im November oder Dezember werde ich euch nochmals besuchen, wenn die Olivenernte voll im Gange ist.

Langsam komme ich der Heimat immer näher, mir bleiben wohl noch knappe 1100 Kilometer, bis ich Regensburg erreicht habe. Das bedeutet, dass ich wohl in gut 2 Wochen meine Reise beenden werde.

_DSC1791.jpg

_DSC1795.jpg

Montalcino, das Zentrum des Brunello.

_DSC1798.jpg

Blick auf die sanften Hügel der Toscana.

_DSC1799.jpg

Weizenfeld mit Klatschmohn

_DSC1803.jpg

Der Campo von Siena

 

5. Juni 2019

Saturnia – Castel del Piano

Eine kurze Etappe mit nur 33 Kilometern, aber genau 804 Höhenmeter gab mir gestern die Zeit etwas länger zu schlafen zu können. Ohnehin gab es erst ab 8 Uhr Frühstück, mir blieb also fast nichts anderes übrig als später zu starten. Lauter Wetterbericht sollte es jetzt immer heißer werden, und so war es auch.

Und dann ging es wieder mal richtig bergauf.

Alles Steigen muß endlich seinen Höhepunkt erreichen, von wo ein Sinken folgt.

Heinrich Martin

(1818 – 1872), deutscher Schriftsteller, Pseudonym für Heinrich Martin Jaenicke

Quelle: Martin, Ein Buch der Weisheit und Wahrheit, 1871

Ein weiser Spruch, nicht wahr? Nachdem man bergauf radelt, gehts meist wieder bergab.

Bildschirmfoto 2019-06-04 um 16.22.43.png

Bildschirmfoto 2019-06-04 um 16.27.03.png

Meine Tagesetappe führte mich auf einer nahezu verkehrsfreien Strasse immer weiter in   die toskanischen Berge, man könnte meinen, man befinde sich im bayerischen Wald. _DSC1751.jpg

_DSC1752.jpg

Triana Podere

Der Aufstieg war schweißtreibend, aber ich hatte genug Wasser dabei. Vorbei geht es am höchsten Berg der Toscana, dem Monte Amiata (1738 m), auf dem man oft bis ins Frühjahr Skifahren kann.

Nach einer Abfahrt von 5 Kilometer komme ich nun endlich nach Castel del Piano. Kaum komme ich in die Stadt, sehe ich schon meinen alten Kumpel, den Österer Willi. Vor 10 Jahren war ich schon mal hier, aber nicht mit dem Fahrrad. Ich meine, dass er mit seiner Frau Andrea vor gut 20 Jahren hierher kam und diese Ruine, die über 70 Jahre leer stand, innerhalb von 2 Jahren selbst sanierte. Das erforderte einen unglaublichen Willen und Biss. Trotz vieler Rückschläge habe die beiden ihr Vorhaben durchgezogen. Habt ihr denn gewußt, von was ihr dann leben wollt, wie ihr euer Leben finanzieren könnt, waren meine Fragen. Ein klares Nein war die Antwort,

Der Grossteil der Leute, die sich hier in der Toscana Häuser kaufen, leben weiterhin in Deutschland, der Schweiz oder in Österreich, und nutzen ihre Anwesen als Feriendomizile, wandern aber nicht aus.

Aber einfach von der Heimat wegzugehen, ohne zu wissen, wie man hier seine Brötchen verdienen kann, ist für mich undenkbar. Die beiden haben sich hier Existenzen aufgebaut, Willi hat seine Olivenhaine und Andrea betreibt im Ort eine gut gehende Praxis als Heilpraktikerin.

2 Jahre hat es auch gedauert, bis die beiden hier angekommen sind, bis sie hier von den Italienern als vollwertige Mitglieder akzeptiert wurden.

Allen Respekt, Andrea und Willi!

Die beiden meinen doch glatt, ich sei absolut abgemagert, und haben sich zum Ziel gemacht, mich für die restlichen 3 Wochen zu mästen. Und wer mich kennt, weiß, dass ich nicht nein sagen kann.

_DSC1757.jpg

Begrüßungsfoto!

_DSC1759.jpg

Morgen früh werde ich dann weiterfahren und mir in Siena ein Hotel suchen.

3. Juni 2019

Civitavecchia – Saturnia

Um Punkt 8 Uhr saß ich heute nach einem eher mäßigem Frühstück auf meinem Rad, immer weiter Richtung Norden, Richtung Regensburg. Nachdem mir Civitavecchia nun gar nicht so recht gefallen hat, fahre ich jetzt weg vom Mittelmeer, was ohnehin mit 18 Grad mindestens 8 Grad zu kalt ist in die Toscana. Zunächst wollte ich nach Grosetto in die Maremma fahren, doch es kommt doch immer anders als man denkt. Mein Ziel ist Castel del Piano, denn dort wohnt ein alter Spezl, der „Ölbaron“. Mit bürgerlichem Namen heißt er Willi Österer und kommt aus Regensburg. Vor mehr als 20 Jahren ist er hierher ausgewandert, hat sich eine Ruine gekauft, die er dann mit eigenen Händen zu einem Schmuckstück verwandelt hat. Inzwischen betreibt er in Schwabelweis, einem Vorort von Regensburg, einen kleinen Laden, in dem er Produkte aus der Toscana verkauft, vornehmlich sein Olivenöl. Dieses Olivenöl lässt er jährlich von der DLG, von der „Deutschen landwirtschaftlichen Gesellschaft“ untersuchen, und wird jährlich mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Ich war vor 10 Jahren schon mal hier, was mich wirklich begeistert hat, ist nicht nur sein Anwesen, mit ein paar Ferienwohnungen und einem Pool, vielmehr ist er hier zu 100 % integriert,

Er ist einfach ein Typ, ein Original.

https://www.zumoelbaron.de

Dort werde ich morgen gegen Mittag ankommen, muss aber zuerst über ein Pass fahren, der es gerade bei diesen Temperaturen in sich hat. Erst am Donnerstag werde ich meine Reise, dann Richtung Siena fortsetzen.

Weg von der Küstenstrasse, und das Fahrradfahren macht richtig Spaß, obwohl ich wie jeden Tag mit dem Gegenwind zu kämpfen habe. Es gibt hier kein Müllproblem, die Landschaft ist ein Genuss, und ich bin mir sicher, dass auch so bleiben wird. Die südliche  Toscana ist bekannt für ausgezeichnete Rotweine, besonders aus den Trauben Merlot und Cabernet Sauvignon, aber auch für die Traube Sangiovese grosso, aus der dann der berühmte Brunello gemacht wird. 88 Kilometer und 890 Höhenmeter bin ich heute gefahren, das war richtig anstrengend. Der Arsch tut mich mir richtig weh, und das bei jetzt hochsommerlichen Temperaturen könnte man sagen, das ist eine Tortur. Um den Druck auf den Hintern zu verteilen, habe ich heute ausprobiert, ob es Sinn machen würde, eine 2. Radlhose über die 1. zu ziehen. Es funktioniert perfekt, erst am Nachmittag begannen die Beschwerden.

Keine Leistung ist so effektiv wie die auf Freiwilligkeit beruhende.

© Peter Rudl

(*1966), deutscher Aphoristiker

Würde mir jemand diese Tour befehlen, ich bin mir sicher, dass alles ganz anders wäre. Ich lasse mich halt nicht gerne fremd bestimmen.

_DSC1743.jpg

Burg von Montalto di Castro im Latium, kurz vor der Toscana

_DSC1745.jpg

Die Toscana, Wald und Schatten

_DSC1746.jpg

Im Hintergrund der Ort Manciano

_DSC1748.jpg

Die Therme von Saturnia, Auszug aus Wikipedia:

Eine Legende besagt, dass Saturnia die erste von Saturn gegründete Stadt auf der italienischen Halbinsel sei – daher leitet sich der Name Saturnia ab.

Thermalquellen, liegen ca. 1 km südlich des Ortes bei 156 m s.l.m. Sie haben dem Ort einen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht. Aus der Thermalquelle strömen pro Sekunde 800 Liter 37 Grad warmes, schwefelhaltiges Wasser, das von den Hängen des Monte Amiata stammt. Dort sammelt sich das Regenwasser in ca. 200 m Tiefe und reichert sich mit Schwefel an. Das Wasser gelangt nach 30 Kilometern in Saturnia an die Oberfläche und ergießt sich über die Cascate del Mulino. Das Baden in den natürlich geschaffenen Sinterbecken ist kostenlos.

Bildschirmfoto 2019-06-03 um 17.34.50.png

Mein Tagestrip