20.09.2017

Widin – Lom


Gestern Abend bekam ich etwas ordentliches zu Essen und darüberhinaus, ich denke, ich brauche das nicht zu erwähnen ein paar bulgarische Bierchen. Nach dem Sport gibt es nichts besseres als ein Bier! Das ist natürlich falsch, Weißbier wäre noch besser, und davon dann zwei.

Als ich heute früh, kurz nach acht Uhr meinen Drahtesel packen wollte, musste ich leider feststellen, dass mein Fahrrad über  Nacht einen Plattfuß bekommen hat. Im Fahrradraum, in diesem sogenannten 3 Sterne Kommunistenbunker, ich meine natürlich Hotel. Hat mir doch irgendein Vollpfosten die Luft aus dem Vorderreifen ausgelassen. Was soll man dazu sagen? 

Auf der anderen Straßenseite ist eine Reifenwerkstatt, in der ich meinen Reifen wieder aufpumpen konnte. Natürlich habe ich darüber nachgedacht, ob ich nicht tatsächlich einen schleichenden Luftverlust habe, und den Schlauch wechseln sollte, doch hatte ich nach 55 Kilometer immer noch einen prallen Reifen. 

Ich entschied mich noch etwas an der Donau entlang zu radeln, denn der Wetterbericht sah heute früh nicht so gut aus. Ab 15 Uhr sollen starke Gewitter folgen. Dann habe ich morgen nach Montana 52 Kilometer zu fahren, und kann mich dann, wenn ich dort angekommen bin entscheiden wie weit ich noch fahren werde. 

Diese 55 Kilometer an der Donau sind für mich schockierend, denn die Armut ist allgegenwärtig. Ich schaue den Menschen in die Augen, und sehe ihren Neid. Hier leben fast ausschließlich Roma, die Häuser sind unter aller Kanone, es gibt scheinbar keine Kanalisation, und in den Waschzubern wird die Wäsche gewaschen. Es kommen mir nicht nur Pferdekarren entgegen, sondern auch noch Eselkarren. Es ist furchtbar anzuschauen. Das sollten mal unsere Politiker unternehmen, mit dem Fahrrad durch diese armen Länder, um den Bezug zur Realität nicht zu verlieren. 

Oder anders gesagt, um den Bezug zur Realität zu gewinnen.

Es beschämt mich, wenn ich durch die Dörfer hier fahre. Die Leute sitzen draußen auf den Bänken, und beobachten den Verkehr, und palavern. In irgendeinem Ort habe ich mir einen Espresso und ein Cola gekauft, für 80 Cent. Das kann doch gar nicht gehen? Espresso ist ok, aber das Cola kostet im Einkauf schon ordentlich Geld. Hier in der Pampa ist man 50 Jahre  zurück, wie will man das aufholen? Das dauert sicherlich mindestens eine Generation oder zwei. Nachdem ich schon sehr früh im Hotel ankam, machte ich einen Spaziergang durch die Stadt. Trostlos würde ich zusammenfassend sagen, einfach nur trostlos.Vielleicht liege ich falsch, wahrscheinlich ist es auch so, aber mein Eindruck von hier ist ernüchternd. Von den knapp 30.000 Einwohnern in der Gemeinde Lom sind 18.000 Roma. 18.000 Menschen, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen, denn sie haben seit Jahrhunderten keine Akzeptanz. Diese haben sie auch wohl nicht gesucht. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ein Großteil davon weder lesen noch schreiben können.

Gut, was rede ich, es geht ja um meine Reise, die mich halt nach Bulgarien geführt hat. Wie es nun weitergeht, lasse ich offen. Jedenfalls werde ich morgen nach Montana radeln, das sind gute 50 Kilometer, und dann nachdenken. Es kann sein, dass ich mich dann in den Zug setze, und nach Sofia fahre, dann gleich weiter nach Griechenland. 

Menschen beim Palavern!

Die Donau – ein ruhiges Paradies!